BUND Kreisgruppe Siegen-Wittgenstein

Gemeinsame Stellungnahme der drei Umweltverbände (BUND, NABU, LNU) zur Planung einer Hochspannungstrasse zwischen Meiswinkel und Junkernhees – Betreiber Amprion

Offizielle Stellungnahme des Landesbüros der Naturschutzverbände NRW vom 07.04.2021

Planfeststellungsverfahren für den Neubau der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Kruckel-Dauersberg, EnLAG-Vorh. Nr. 19; Bl. 4319, Abschnitt C – Attendorn – Landesgrenze RLP, Anhörungsverfahren; ergänzende Betrachtung der Variante Meiswinkel und Junkernhees

Hier: Stellungnahme der in NRW anerkannten Naturschutzverbände

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

namens und in Vollmacht der in NRW anerkannten Naturschutzverbände nehme ich zu der mit Ihrem o.g. Schreiben den Naturschutzverbänden zur Verfügung gestellten ergänzenden Betrachtung der Variante Meiswinkel und Junkernhees wie folgt Stellung:

Wie schon in unserer ursprünglichen Stellungnahme vom 05.04.2018  fordern wir weiterhin den Verzicht auf den Bau der Umspannanlage Junkernhees, da Alternativen mit geringeren Eingriffen in die Natur realisierbar sind. (UA Altenkleusheim/UA Setzer Wiese)

Eine genauere Betrachtung der Variante Meiswinkel macht nur dann Sinn, wenn auf die Errichtung der Umspannanlage Junkernhees verzichtet wird. Unsere Bedenken hinsichtlich des Umspannwerkes wurden in unserer Stellungnahme vom 05.04.2018 ausführlich beschrieben und bleiben voll und ganz gültig.

Der Vergleich der beiden betrachteten Varianten Meiswinkel und Junkernhees (Antragstrasse) zeigt Vorteile der Alternativtrasse Meiswinkel gegenüber der Antragstrasse aufgrund einer geringeren Belastung des Schutzgutes Mensch. Die Alternativtrasse Meiswinkel weist eine größere Distanz von den betroffenen Siedlungsflächen auf und ermöglicht eine Freihaltung der Talaue von technischen Baukörpern wie Leitungen und Masten, da es hier zu einem Rückbau der vorhandenen Anlagen kommen soll. Wenn auf die Anbindung der Umspannanlage (UA) Junkernhees verzichtet wird, könnten die Masten mit den geplanten Extremhöhen von 81,50 m (373) und 77m (372) im Taleingangsbereich ebenfalls entfallen.

Das Landschaftsbild im Bereich der Talaue verbessert sich  bei Realisierung der Variante Meiswinkel ohne die UA Junkernhees erheblich, zudem werden auch die Sichtachsen zum denkmalgeschützten Schloss Junkernhees entlastet und nicht durch technische Baukörper gestört.

Die prognostizierte hohe Empfindlichkeit beim Schutzgut Kultur im Bereich des Schlosses würde bei der Variante Meiswinkel entfallen.

Da die meisten Erholungssuchenden sich im Talbereich aufhalten bzw. dort spazieren gehen, würde eine Verlegung der Trasse hier ebenfalls zu einer positiven Entwicklung führen.

Teile des Heesbaches würden bei Realisierung der Variante Meiswinkel baubedingt geschont, die Wasserqualität würde nicht beeinträchtigt, die eher extensiv genutzte Wiesenaue könnte sich langfristig als Jagd-bzw. Nahrungshabitat für Fledermäuse wie auch Graureiher aus der angrenzenden Kolonie, Rotmilan, Turmfalke, Eisvogel u.a.m. nach Leitungsrückbau ökologisch verbessern.

Mit dem Bau einer Umspannanlage in Tallage incl. der für die Anbindung zusätzlich zu errichtenden Masten und der Leitungen wären diese Vorteile, die die Alternativtrasse bietet, aber dahin, da die Anlage bildprägend wirken wird und Teile des Tals visuell dominieren würde. Außerdem benötigt die dann südlich der Anlage verlaufende Zuleitung ebenfalls einen 81,50 m hohen Masten (1373), zusätzlich müssten zwei weitere Masten (1372, 373 A) um ca. 4 m höher ausfallen. Zudem würde die geplante Zuleitung von Süden durch die Errichtung eines notwendigen 300 m breiten Schutzstreifens einige sehr alte Eichen (1 geschätzt über 200 Jahre) gefährden. Ca 0,156 ha hochwertige Eichenwälder werden dadurch zusätzlich in Anspruch genommen. Das Brutgebiet des Fitis liegt im Bereich des Neubaumasten 373A, das Jagdgebiet von Wasserfledermaus ( vorh. Stillgewässer) und Zwergfledermaus wird beeinträchtigt, beim Schutzgut Boden sind sehr schutzwürdige Böden mit hohem Biotopentwicklungspotential betroffen, beim Teilschutzgut

Oberflächenwasser gibt es aufgrund des Vorhandenseins eines Still- und Fließgewässers im Bereich der UA bzw. der Zuleitung eine hohe Intensität der Umweltauswirkungen

Einer der Nachteile der Alternativtrasse Meiswinkel mit oder ohne Anbindung der UA sind die deutlich stärkeren forstlichen Eingriffe in das Waldgebiet.

Bei der Variante Meiswinkel gilt es zu beachten, dass eine völlig neue Trasse erforderlich ist. Dabei kommt es baubedingt zum Verlust von ca. 190.000 m² = 19 ha (!) Wald, zum Teil mit Totholzanteilen („Biotopbäumen“).

Hinzu kommen ca. 8.260 m² für die neue Anbindung der Variante Meiswinkel an die Umspannanlage (UA) Junkernhees Bei der Antragstrasse müssen 35.000 m“ = 3,5 ha Wald gerodet werden.

Bei der Antragstrasse können 4.000 m² Wald wieder aufgeforstet werden, bei der Variante Meiswinkel ca. 60.000 m². Da die Antragstrasse teilweise vorhandenen Schutzstreifen nutzt, sind hier die Eingriffe zu relativieren.

Da im Schutzstreifen der aufkommende Gehölzbewuchs niedrig gehalten werden muss, sind hier zusätzliche dauerhafte Eingriffe erforderlich.

Ob im Schutzstreifen bei entsprechender Bewirtschaftung durch den Vorhabenträger dauerhaft ein Niederwald mit potentiellen neuen Lebensräumen für gefährdete Arten, wie z.B. das Haselhuhn entwickeln wird, ist fraglich und ob dieser aus Naturschutzsicht anerkannten werden wird, bleibt offen.

Die Intensität der Auswirkungen auf den Waldbestand wird bei beiden Trassen jedoch als mittel bis schwach angesehen.

Der größte Anteil des betroffenen Waldgebietes bei der Variante Meiswinkel besteht aus jungen Birken, Fichten-bzw. Mischwaldanpflanzungen mit noch geringer Wuchshöhe.

Nur relativ wenig beeinträchtigt werden ca. 1,4 ha hochwertige Hochwaldflächen mit einigen hochwertigen Biotopbäumen. Es ist zu prüfen, ob der Trassenverlauf im Bereich der Masten 371, 1372 und 1373 nicht etwas südlicher und höher am Berghang verlaufen kann, da man dadurch weniger Flächen eines Eichenhochwaldes im Bereich der Straße nach Sohlbach- Buchen in Anspruch nehmen müsste, so dass der Eingriff vermieden werden kann.

Durch den Verlauf der Alternativtrasse Meiswinkel am Berghang und über den Bergrücken wird das großflächige Landschaftsbild insgesamt allerdings stärker beansprucht als bei der Antragstrasse. Das Landschaftsbild des Bergrückens ist aber durch die dortige Windanlage sowieso schon deutlich vorbelastet, das relativiert die Auswirkungen etwas.

Da es im umliegenden Bereich auch nach dem Bau großflächige Waldgebiete geben wird, ist es möglich, dass es genügend Ausweichmöglichkeiten für potentiell gefährdete Arten des Waldes geben kann. Eine genaue Untersuchung der dort vorhandenen Habitatqualitäten und vorkommender Arten ist aber im Rahmen eines Deckblattverfahrens zwingend erforderlich. So sollte auch ein mögliches Vorkommen der im Siegerland noch anzutreffenden Bechsteinfledermaus untersucht werden.

Das etwas höhere Kollisionsrisiko für Vögel bei der Variante Meiswinkel soll laut Amprion durch Vogelabweiser minimiert werden, bei der Antragstrasse waren ursprünglich für diesen Abschnitt keine Abweiser vorgesehen.

Bei der Variante Meiswinkel ergibt sich ein Kollisionsrisiko aufgrund der Führung über den Höhenrücken. Ob und auf welcher Länge, die in der Untersuchung für erforderlich gehaltenen Vogelabweiser von Amprion tatsächlich installiert werden, ist nicht geklärt.

Die Anbringung von Vogelabweisern auf gesamter Länge der Variante Meiswinkel ist eine grundsätzliche Forderung der Naturschutzverbände.

Unabhängig von der Wahl einer der Trassen, ist es zwingend erforderlich, eine zeitliche Abstimmung und Festschreibung der Bauzeiten im Rahmen der ÖBB vorzusehen.

Zudem sind Intensive Kartierungsmaßnahmen notwendig (s.o.), da einige dort vorhandene Biotopbäume Nisthilfen und Horste für im Gebiet vorkommende Brutvogelarten wie Mäusebussard, Grauspecht, Schwarzspecht, Waldkauz u. a.m. und Fledermausarten sein können. Vermutlich werden CEF-Maßnahmen, z.B. für Waldkauz und Zwergfledermaus erforderlich, welche VOR Eingriffsbeginn (Baubeginn) umgesetzt sein müssen und deren erfolgreiche Wirkung nachzuweisen ist.

Unabdingbar sind Waldentwicklungsmaßnahmen im Trassenbereich mit dem Ziel eines Niederwaldes. Inwieweit diese aus Sicht des Naturschutzes akzeptiert werden können, kann erst nach Vorlage einer dann geänderten Antragsplanung beurteilt werden.

Was die Wirkungen auf den Menschen betrifft, hat die Variante Meiswinkel in Bezug auf die Sichtwirkung Vorteile. Allerdings rückt mit der Variante Meiswinkel die neue 380-kV-Freileitung näher an die Ortslage Buchen von Kreuztal heran, wenn auch in einem Abstand von ca. 800m.

Die Antragstrasse hat den Vorteil, dass sie weitgehend den Trassenraum der vorhandenen zurück zubauenden Freileitung nutzt (28 Masten Rückbau, stehen 10 Neubaumasten gegenüber).

Bei der Variante Meiswinkel kann zwar die vorhandene 110-kV-Westnetzleitung und die 220-kV-Amprionleitung zurückgebaut werden, wodurch das Umfeld der Bestandstrasse im Bachtal von Hees und Wurmbach entlastet werden kann.

Es stehen dem jedoch die neue Leitung über den Höhenrücken einschl. dem deutlich sichtbaren dauerhaften Waldverlust gegenüber sowie die Sichtwirkung der neuen Leitung auf die Ortslage Buchen und Meiswinkel sowie im Talraum von Junkernhees und MIttelhees gegenüber. Nur zum Teil werden Sichtverschattungen durch Waldflächen wirksam sein.

Bei der Antragstrasse ist zu beachten, dass es hier alle Grenzwerte eingehalten werden können; ansonsten wäre die beantragte neue Leitung nicht genehmigungsfähig.

Grundsätzlich ist bei den Neubauten von Höchstspannungsfreileitungen aus Sicht des Naturschutzes eine Variante zu bevorzugen, die eine vorhandene Trasse nutzt (oder zumindest in enger Bündelung). Es sei denn, es können mit einer neuen Trassenführung erhebliche positive Wirkungen für Flora und Fauna und den Menschen erzielt werden. Dieses ist hier in Bezug auf die Variante Meiswinkel nicht eindeutig der Fall!

Die Naturschutzverbände sprechen sich auf der Grundlage der vorgelegten „ergänzenden Betrachtung der Variante Meiswinkel und Junkernhees“ nicht für oder gegen eine der beiden untersuchten Varianten aus, da beide Varianten Vor- und Nachteile zeigen. Grundsätzlich ist bei den Neubauten von Höchstspannungsfreileitungen aus Sicht des Naturschutzes eine Variante zu bevorzugen, die eine vorhandene Trasse nutzt (oder zumindest in enger Bündelung). Es sei denn, es können mit einer neuen Trassenführung erhebliche positive Wirkungen für Flora und Fauna und den Menschen erzielt werden. Dieses ist bei beiden Varianten nicht eindeutig der Fall.

Die Naturschutzverbände lehnen auf jeden Fall Varianten ab, welche weiterhin die beantragte Umspannanlage Junkernhees beinhalten, welche von den Naturschutzverbänden in der Stellungnahme vom 05.04.2018 abgelehnt wurde und auch weiterhin abgelehnt wird. Nur eine Variante ohne Anbindung an die Umspannanlage Junkernhees bringt tatsächliche Vorteile für die Umwelt.

Mit freundlichen Grüßen

Gerd Mackmann

 

Die Stellungnahme zum Download